Lesen im Freien

Lesen im Freien –

in Hochheimer und Massenheimer Höfen und Gärten.
die Veranstaltungsreihe, die seit dem Jahr 2002 ununterbrochen angeboten wird, geht in die nächste Runde. Der Eintritt ist wie immer frei.

An zwei Terminen (29.07. und 19.08.)
sind aktive Mitglieder des Poesievereins Dichterpflänzchen e.V. beteiligt.


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29. Juli:
Im Schlosshof bei Familie Geis,
Massenheim, Schlossgasse 6,
es liest Hartmut Borchers.


Mitglied des Poesievereins Dichterpflänzchen e.V.




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19. August:
Im Garten von Familie Drews,
Hochheim, Frankfurter Straße 47,
es liest Gabriele Liebig.



Vorstandsmitglied des Poesievereins Dichterpflänzchen e.V.


Im Wiesbadener Kurier erschien zur Lesung von Hartmut Borchers ein positiver Bericht.

Schwerblütige Lyrik im Idyll

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Rezitator Hartmut Borchers gestaltet seinen Vortrag mit Texten von Else Lasker-Schüler mit freier Rezitation und tiefen Einblicken in diese Künstlerinnen-Biographie
Foto: Ulrich von Mengden

Von Ulrich von Mengden
MASSENHEIM - Mit dem Hof des Massenheimer Schlosses hatte sich die Reihe „Lesen im Freien“ am Sonntagnachmittag ein besonders idyllisch-lauschiges Plätzchen gesucht. Gastgeberin Gaby Geis rückte die Stuhlreihen so, dass die Liebhaber der Literatur den einzig beschatteten Teil des Innenhofes bevölkerten.
Inge Schmollinger-Bornemann, die gemeinsam mit der örtlichen SPD die beliebte Lesereihe initiiert hat und seit vielen Jahren betreut, kündigte aber nicht unbedingt eine Lesung an, die sich dem pittoresken Wohlfühl-Ambiente anpasste.
Sprachbilder wie an der Perlenschnur
Es gab heißblütige Lyrik der expressionistischen Dichterin Else Lasker-Schüler zu hören. Der Mainzer Hartmut Borchers, Mitglied der „Dichterpflänzchen“, sorgte zudem mit biografischen Einzelheiten für einen tiefen Einblick in dieses bewegte Künstlerleben, das sich als Gesamtkunstwerk herausstellen sollte.
Der Rezitator verschonte seine Zuhörer nicht. Im Gegenteil. Schon zur Ouvertüre ging es ohne Umschweife direkt in die poetische Welt der sprachtrunkenen Hingabe aus zügelloser Sinnlichkeit und hemmungsloser Ekstase.
Von tiefer Empfindsamkeit und eruptiver Wucht geprägte Sprachbilder reihten sich wie an der Perlenschnur auf. „An meinem Herzen glitzert noch hell dein Wort“ hob Else Lasker-Schülers Hymne auf die Wonnen der Liebe an, um im Poem „Eros“ den Gipfel aller Lüste zu formulieren, wenn „alle Sonnen Feuerlieder sangen“.
1869 in Wuppertal-Elberfeld geboren, erlebte die Dichterin als Kind in jüdischem Elternhaus die Geborgenheit und Unbekümmertheit des gehobenen Bürgertums. Das früh erkannte Wunderkind Else wurde von der Schulpflicht befreit und erhielt Privatunterricht.
Tiefschwarze Wolken zogen auf, als die geliebte Mutter und der verehrte Bruder kurz hintereinander starben. Eine lebenslange Flucht in die Poesie begann.
Durch ihre Heirat mit Jonathan Berthold Lasker, dem Bruder des Schachweltmeisters Emanuel Lasker, kam sie nach Berlin, der Heimat vieler Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts. Eine unglückliche Ehe, aber ein glücklicher Schritt in die künstlerische Befreiung. Borchers verstand es, differenziert Zeit- und Lebensumstände zu schildern, die zu dieser expressiven Fantastik in der Aneignung von Welt durch Sprache führten.
Viele der chronologisch geordneten Poeme, die den Lebensweg der Dichterin reflektieren, trug Borchers, der hunderte Gedichte auswendig beherrscht, in freier Rezitation vor. Er hielt sich zurück, diesem sprachlichen Vulkanausbruch, mit expressiver Rhetorik zu begegnen.
Seine Stilmittel im Vortrag begrenzten sich auf behutsame Nuancierung in der Sprechdynamik. Es war ein langsamer, eindringlicher Sprechduktus, stets untermalt von melodiöser, leicht singender Diktion. Tieferes emotionales Eintauchen in dieses empfindsame Leben, das Rausch, Lust, Liebe, Tragik und Schmerz in voller Inbrunst genoss, hätte man sich manchmal gewünscht. Es blieben aber ungezählte Wortskulpturen von erhabener Schönheit, die der Rezitator sprachlich modellierte. So hatten die andächtig lauschenden Zuhörer ausreichend Gelegenheit, sich von diesem sprachmächtigen Assoziationsreichtum entführen zu lassen, in die eigene Welt der tiefen Gefühle.
Insgesamt ein dionysisches Zuhörvergnügen aus der Welt der Bohemiens des beginnenden 20. Jahrhunderts. 1933 aus Deutschland emigriert, verstarb Else Lasker-Schüler 1945 verarmt und geistig umnachtet in Israel.